Durchsuchungsbeschluss grundsätzlich mit Begründung

Zunächst das Wichtigste:

Dem Betroffenen ist grundsätzlich ein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss mit schriftlicher Begründung auszuhändigen. Dem vom Grundrechtseingriff Betroffenen nur die Durchsuchungsanordnung, also lediglich die Beschlussformel der Entscheidung des Ermittlungsrichters, nicht aber der vollständige Durchsuchungsbeschluss mit Gründen auszuhändigen, ist verfassungsrechtlich bedenklich.

 

BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BJs 27/02-5 (StB 16/02)

 

Tenor:

Die Staatskasse hat die Kosten der Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2002 und die dem Beschwerdeführer hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe:

1. Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer und weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 28. Juni 2002 die Durchsuchung der Person und der Wohnung des Beschwerdeführers gestattet. Die Durchsuchung ist am 3. Juli 2002 durchgeführt worden. Am 19. Juli 2002 hat der Beschuldigte Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegt. Er hat beanstandet, der Durchsuchungsbeschluss enthalte weder einen konkreten Tatvorwurf noch beschreibe er die Beweismittel, auf deren Sicherstellung abgezielt werde. Bei der Einlegung der Beschwerde hat der Beschwerdeführer nur über eine Ausfertigung der Durchsuchungsanordnung ohne die Gründe der ermittlungsrichterlichen Entscheidung verfügt. Mit Schreiben des Ermittlungsrichters vom 27. August 2002 ist dem Beschwerdeführer der Durchsuchungsbeschluss mit den Gründen in seiner vollständigen Fassung übersandt worden. Der Beschwerdeführer hat daraufhin zunächst mitgeteilt, dass gegen die ihm nunmehr vorliegende „Langfassung“ des Beschlusses keine Beschwerde eingelegt worden wäre. Später hat er die Beschwerde zurückgenommen und erklärt, der Umstand, dass er erst im Laufe des Rechtsmittelverfahrens einen vollständigen Beschluss erhalten habe, müsse in der Kostenentscheidung zum Ausdruck kommen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer erwachsenen notwendigen Auslagen sind – abweichend von § 473 Abs. 1 StPO – der Staatskasse aufzuerlegen. Dies folgt aus dem Gebot der sachlichen Gerechtigkeit, dem auch bei der Anwendung und Auslegung der Kostenbestimmungen ausschlaggebende Bedeutung zukommt (BGHSt 18, 268, 271; 19, 226, 230), und dem im Kostenrecht, insbesondere in Fällen eingetretener Erledigung, heranzuziehenden Gesichtspunkt der Billigkeit (vgl. OLG Dresden OLGSt StGB § 67 Nr. 11; Pfeiffer StPO 4. Aufl. vor § 464 Rdn. 2).

a) Allerdings hätte die zulässig eingelegte und inzwischen zurückgenommene Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss in der Sache keinen Erfolg gehabt.

Der Durchsuchungsbeschluss ist rechtmäßig ergangen; die Anordnungsvoraussetzungen des § 102 StPO lagen vor: Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat rechtsfehlerfrei den Anfangsverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und damit seine Zuständigkeit für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses bejaht (§ 142 a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO). Aufgrund der im Beschluss dargelegten Umstände und Ermittlungserkenntnisse bestanden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich eine Vereinigung gebildet hatte, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet waren, in § 129 a Abs. 1 StGB genannte Straftaten zu begehen. Ebenso lagen konkrete Hinweise darauf vor, dass der Beschuldigte dieser Gruppierung angehörte. Auch bezüglich der übrigen Voraussetzungen des § 102 StPO bestehen keine Bedenken, insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Im Durchsuchungsbeschluss werden Rahmen, Grenzen und Ziel der Durchsuchung hinreichend bestimmt; einer weiteren Eingrenzung bedurfte es in diesem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens nicht.

b) Indes kann bei der zu treffenden Kostenentscheidung nach Rücknahme der Beschwerde hier nicht allein auf die Tatsache der Rücknahme des Rechtsmittels und die Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses abgestellt werden. Vielmehr entspricht es in Fällen, in denen – wie hier – die dem Betroffenen ausgehändigte Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung mit dem Original nicht übereinstimmt, der Billigkeit, zu prüfen, ob die dem Beschwerdeführer zunächst überlassene Ausfertigung Veranlassung zu der Beschwerde gegeben hat und diese begründet wäre, wenn der Beschluss der überlassenen Fassung entsprochen hätte.

Das ist hier der Fall. Für den Beschuldigten und seinen Verteidiger war nicht ersichtlich, dass der angefochtene Beschluss im Original mit einer ausführlichen Begründung versehen war. Der Beschwerdeführer musste deshalb von einem Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 34 StPO ausgehen. Aus seiner Sicht wäre das Rechtsmittel begründet gewesen, da das Fehlen einer Begründung regelmäßig einen Aufhebungsgrund darstellt (Wendisch in L/R StPO 25. Aufl. § 34 Rdn. 10; Maul in KK StPO 4. Aufl. § 34 Rdn. 11).

Der Beschwerdeführer durfte auch annehmen, dass das Original des Beschlusses der ihm überlassenen Ausfertigung entspricht. Ein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss ist dem Betroffenen nämlich nach § 35 StPO grundsätzlich durch Aushändigung einer Ausfertigung mit vollständiger Begründung bekanntzumachen. Wie der Senat mit Beschluss vom 3. September 1997 (StB 12/97 = BGHR StPO § 105 Zustellung 1) näher ausgeführt hat, unterliegt die Übung, den vom Grundrechtseingriff Betroffenen nur die „Durchsuchungsanordnung“, also lediglich die Beschlussformel der Entscheidung des Ermittlungsrichters, nicht aber den vollständigen Durchsuchungsbeschluss mit Gründen auszuhändigen, verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese den Regelfall betreffende Entscheidung des Senats schließt jedoch nicht aus, dass nach den das Ermittlungsverfahren beherrschenden allgemeinen Grundsätzen ausnahmsweise die Bekanntmachung der Gründe zurückgestellt werden kann, wenn durch sie der Untersuchungszweck gefährdet wäre (so auch Nack in KK 4. Aufl. § 105 Rdn. 5, der dies mit einer entsprechenden Anwendung von § 101 StPO begründet). Kann die Gefährdung des Untersuchungszwecks bereits dadurch ausgeräumt werden, dass in der auszuhändigenden Ausfertigung vom Abdruck einzelner Passagen der Begründung abgesehen wird, darf auch eine in den Gründen unvollständige Ausfertigung übergeben werden. In jedem Fall muss aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes und zur Vermeidung unnötiger Rechtsmittel in der dem Betroffenen überlassenen Aushändigung allerdings auf die (vollständige oder teilweise) Weglassung der Gründe in geeigneter Form hingewiesen werden. Dabei obliegt bei einer richterlichen Anordnung nach § 36 Abs. 1 StPO die Entscheidung über die Art der Bekanntmachung dem Richter, dieser hat auch Sorge dafür zu tragen, dass dem Betroffenen eine vollständige Ausfertigung übermittelt wird, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks verantwortet werden kann (entsprechend § 101 Abs. 1 StPO).

Der Weg zu Ihrem Anwalt

Der Weg zu Ihrem Anwalt.


Postanschrift

Rechtsanwälte
Lehmann & Dagli

Georgstraße 17
88214 Ravensburg

Erreichbarkeit

Telefon: +49 751 - 359 555 45
Telefax: +49 751 - 359 555 46

info@lehmann-dagli.de

Nach oben